Im Strom der Rücksicht

Ein Auto zwischen den Mopeds - mitten im Wunder von Hanoi und keiner kämpft.

Heute saß ich in einem Taxi. Fenster runter, der Fahrtwind warm, ein bisschen stickig und schwül - und die Luft voller Geräusche - Motoren, Hupen, Stimmen - und doch hatte nichts davon diese Schärfe, die man woanders kennt.

Wir waren das einzige Auto weit und breit. Und ich mittendrin - plötzlich riesengroß, langsam und sperrig. Um uns herum nur Mopeds, wie ein fließendes Meer aus Mopeds. Hunderte. Vielleicht Tausende. Keine Ahnung. Von allen Seiten. Kein Zentimeter verschwendet.

Ich fühlte mich so fehl am Platz - wie ein großer, schwerfälliger Fisch inmitten eines Schwarms. Und trotzdem: Wir kamen voran. Alle kamen voran.

Es war ein seltsames Gefühl. Unwirklich. Fast surreal. Und gleichzeitig zutiefst beeindruckend.

Ich habe gestaunt. Nicht weil es chaotisch war - sondern weil es nicht chaotisch war.

Denn hier funktioniert der Verkehr nicht durch Regeln, sondern durch Rücksicht. Nicht durch Schilder, sondern durch Blickkontakt, Hupen um auf sich aufmerksam zu machen.

Niemand drängelte. Niemand fuhr jemandem absichtlich den Weg ab. Keiner bestand auf sein Recht. Alle bewegten sich, schauten, warteten, glitten aneinander vorbei – wie in einem lautlosen, perfekt getakteten Tanz. Kein Kampf, kein Revierdenken. Nur ein: „Ich sehe dich. Ich weiche aus. Wir beide kommen weiter.“ - Das Miteinander kommt weiter!

Gleich funktioniert es als Fußgänger die Straßen zu überqueren. Man geht über die Straße im Vertrauen, alle fahren um dich herum, du darfst nur deine Geschwindigkeit nicht ändern. Es funktioniert!

Es ist nicht der, der sich durchsetzt, der vorankommt - sonder der, der Platz lässt